10  Aufgaben der Behörden  -und was nicht deren Aufgabe ist

Die Beachtung und Erfüllung von Vorschriften bedürfen grundsätzlich der Überwachung. Diese Überwachung ist traditionell Aufgabe der Bauaufsichtsbehörden. Und: „Weil die Behörde sowieso noch prüft und überwacht und den Bau abnimmt“, wird damit verbunden, dass alles ordnungsgemäß beschaffen ist und mögliche Versäumnisse bei der  Beachtung der Vorschriften mit der „Abnahme“ erledigt sind. Diese Auslegung der Überwachung, sofern sie stattfindet, ist nicht richtig, sie ist fahrlässig. Das Bauordnungsrecht unterscheidet zwischen den Pflichten der am Bau Beteiligten und der Überwachung auf Einhaltung der Pflichten durch die Behörde. Dabei erfolgt die Überwachung  der Pflichten stichprobenartig nach „pflichtgemäßem Ermessen“; eine vollständige Überwachung ist praktisch nicht möglich.

Die nach den allgemeinen Verwaltungsvorschriften bestehende Beratungspflicht der  Behörden bezieht sich nur auf die Klärung der Sach- und Rechtslage im gegebenen Fall; auch sie ersetzt nicht die Pflichten der am Bau Beteiligten. Eine genaue Abgrenzung zwischen „Bauherrenpflicht“ und „Beratungspflicht“ der Behörde lässt sich allerdings nur in der konkreten Situation einer unterschiedlichen Auffassung vornehmen. In dieser Beschreibung kann daher lediglich eine Klarstellung im Grundsätzlichen erfolgen, die für alle Formen der Überwachung durch die Behörde gilt. Die Pflichten der am Bau Beteiligten, vorrangig die des Bauherrn, dafür zu sorgen und Verantwortung zu tragen, dass die öffentlich-rechtlichen Vorschriften eingehalten werden, werden durch eine behördliche Überwachung nicht ersetzt und nicht entlastet. Bei Verstößen gegen das Recht haben der Bauherr und die von ihm bestellten Personen dafür einzustehen; sie können sich nicht auf die Überwachung durch die Behörden berufen.

10.1 Allgemeine Überwachung

Nach dem Bauordnungsrecht haben die Bauaufsichtsbehörden darüber zu wachen, dass die baurechtlichen Vorschriften und die anderen öffentlich- rechtlichen Vorschriften bei der Durchführung sowie der Nutzung und Instandhaltung baulicher Anlagen eingehalten werden. Diese Aufgabe ist inhaltlich umfassend. Sie erfasst auch die Überwachung nach Vorschriften des „Baunebenrechts“, wie z.B. den Naturschutz, Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz und den Denkmalschutz. Die Behörden sind jedoch  nicht zu einer ständigen und lückenlosen Überwachung verpflichtet; das ist schon aus  praktischen Gründen nicht möglich. Die Überwachungsaufgabe dient vorrangig der Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung; sie ist eigentlich eine „polizeiliche Aufgabe“ (in früherer Zeit „Baupolizei“ statt heute Bauaufsichtsbehörde“).

Das Ob und Wie des behördlichen Handelns erfolgt auch nur nach pflichtgemäßem Er-messen, wenn dazu ein Anlass besteht, z.B. das Bekanntwerden von rechtswidrigen Zuständen. Ein solches Ermessen haben der Bauherr. und die anderen am Bau Beteiligten selbstverständlich nicht, deren stete Verantwortung für die Einhaltung der Vorschriften bleibt uneingeschränkt bestehen.

10.2 Überwachung im „vollständigen“ Prüfverfahren und die Voraussetzungen
(Baugenehmigungsverfahren und Bauzustandsbesichtigung)

Anknüpfend an die allgemeine Überwachung aus Anlass, kann das traditionelle Baugenehmigungs-verfahren sinngemäß als Überwachung aus einem speziellen Anlass, den des vorgeschriebenen Bauantrages angesehen werden. Grundsätzlich ist das Errichten, Ändern und Abbrechen baulicher Anlagen genehmigungsbedürftig (wobei es allerdings in den letzten Jahren zu erheblichen Änderungen gekommen ist, wie noch auszuführen sein wird). Bei der Genehmigungsprüfung handelt es sich um eine „vorbeugende Verwaltungskontrolle“, wie es in der Rechtssprache heißt. Die Prüfung des Vorhabens soll vernünftigerweise vor Baubeginn erfolgen. Das Verfahren setzt - wie erwähnt – die Stellung eines Bauantrages voraus. Form, Inhalt und Beschaffenheit eines Bauantrages sind in der Bauvorlagen-verordnung geregelt. Eine wichtige Anforderung an die Bauvorlagen ist neben der erforderlichen Vollständigkeit, dass sie von einem bauvorlageberechtigten Entwurfsverfasser bzw. Architekten unterschrieben sind. Diese „Befugnis“ des Architekten und das damit verbundene Privileg, soll zur Beschleunigung und Vereinfachung des Baugenehmi-gungsverfahrens beitragen. Die Berechtigung dafür wird nur bei Erfüllung bestimmter persönlicher Vorraussetzungen, die in den Landesbauordnungen festgelegt sind, erteilt. Mit der Bauvorlageberechtigung verbindet der Gesetzgeber ausreichende Kenntnisse und Erfahrungen in der Anwendung des öffentlichen Baurechts.

Das Baugenehmigungsverfahren umfasst die Überprüfung des Vorhabens nach allen öffentlich-rechtlichen Vorschriften. Mit den erforderlichen Bauvorlagen ist das Vorhaben vollständig zu beschreiben, damit die Bauaufsichtsbehörde ihrerseits eine vollständige Prüfung vornehmen kann. Es ist nicht Aufgabe der Behörde, fehlende Angaben von sich aus zu ergänzen und gegebenenfalls damit die Genehmigungsfähigkeit herzustellen. Wie bereits weiter oben erwähnt, die Beratungspflicht der Behörde beschränkt sich auch hierbei auf die Erläuterung der Sach- und Rechtslage. Eine darüber hinausgehende Hilfestellung, etwa durch Hinweise auf Lösungsmöglichkeiten wenn Hindernisse bestehen, ist in der Praxis jedoch nicht gänzlich ausgeschlossen und im Sinne einer bürgernahen Verwaltung oft üblich. Es besteht jedoch kein Rechtsanspruch darauf. Deshalb muss der Architekt (und der Bauherr sollte darauf achten) von sich aus die Entscheidungsreife bzw. Genehmigungsfähigkeit so vollständig wie möglich vorbereiten.

Das kommt der eigenen Sicherheit zugute und dient nicht zuletzt der Erfüllung der Verpflichtung dem Auftraggeber gegenüber.

Ein Verlass auf die „Erkenntnisse“ der Behörde kann sich für das Vorhaben nachteilig auswirken. Unvollständige Bauvorlagen und Angaben zum Vorhaben verlängern den Zeitablauf bis zum Abschluss des Verfahrens; gegebenenfalls wird der Antrag als nicht  prüffähig zurückgewiesen. Es kann auch zu materiellen Einbußen kommen, wenn zustehende Rechte nicht erkannt werden. Das kann z.B. bei der Frage der Ausnutzbarkeit des Grundstücks sein, oder wenn mögliche Ausnahmen nicht in Anspruch genommen wer-den, oder es versäumt wird , einen Befreiungsantrag wegen einer Härtesituation zu stellen. Die prüfende Behörde ist nicht verpflichtet auf andere, für ein Vorhaben vorteilhaftere Lösungen hinzuweisen, wenn die eingereichte Planung bereits mit dem Recht überein-stimmt. Es ist ihre Aufgabe, Feststellungen zu treffen, ob dem geplanten Vorhaben öf-fentlich- rechtliche Vorschriften entgegenstehen oder nicht entgegenstehen.

Stehen dem Vorhaben Vorschriften nicht entgegen, oder können rechtliche Hindernisse gegebenenfalls durch Auflagen ausgeräumt werden, hat der Bauherr Anspruch auf  Erteilung der  beantragten Baugenehmigung. Die Behörde kann unter dieser Voraussetzung zu keiner anderen Entscheidung kommen. Die Genehmigung bedeutet „die hoheitliche Erklärung, dass dem Vorhaben im Zeitpunkt ihrer Feststellung Hindernisse aufgrund öffentlich-rechtlicher  Vorschriften nicht entgegenstehen“. Der Bauherr kann darauf vertrauen, sein Vorhaben auszuführen, ohne mit Vorschriften in Konflikt zu geraten. Das Baugenehmigungsverfahren ist die umfänglichste Überwachungsaufgabe der Bauaufsichtsbehörde. Sollten der Behörde bei der Prüfung des Antrages Fehler unterlaufen und damit zu einer rechtsfehlerhaften oder rechtswidrigen Genehmigung führen, geht dies zu Lasten der Behörde. Aber: Grundlage der behördlichen Feststellungen und Entscheidungen sind die Pläne und Angaben des Architekten bzw. seines Bauherrn. Darin enthaltenen Lücken und Fehler, die möglicherweise Ursache der fehlerhaften Entscheidung und Genehmigung sind, gehen zu ihren Lasten.

Der Architekt schuldet seinem Bauherrn eine baurechtlich richtige Lösung!  Nicht die Behörde!

Seine Fortsetzung findet das Prüfverfahren (Baugenehmigungsverfahren) durch die  so genannte Bauzustandsbesichtigung während der Bauausführung (früher waren es die „Abnahmen“). Für diese Phase des Bauvorhabens gelten spezielle Vorschriften in den Landesbauordnungen. Es bleibt aber auch hierbei wie bei der allgemeinen Bauüberwachung der Behörde überlassen, im Einzelfall nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ob und in welchem Umfang sie diese Aufgabe durchführt. Es besteht für die Behörde auch das Recht, für spezielle Sachverhalte sachverständige Stellen, wie z.B. den Technischen Überwachungsverein, heranzuziehen. Grundlage für eine Bauzustands-besichtigung ist die erteilte Genehmigung. Anknüpfungspunkte für die Durchführung sind in der Regel der Baubeginn, die Rohbaufertigstellung und die endgültige Fertigstellung der baulichen Anlage.

Bauzustandsbesichtigungen beschränken sich auf die Einhaltung der Genehmigung in wesentlichen Punkten. Insbesondere dienen sie der Vermeidung von Sicherheitsmängeln; sie beinhalten also nicht eine gezielte Überprüfung aller im Genehmigungsverfahren behandelten Sachverhalte. Die Verantwortung aller am Bau Beteiligten für die Einhaltung der Genehmigung und der Vorschriften im übrigen wird durch die Tätigkeit der Behörde keinesfalls gemindert oder gar ausgeschlossen.

Haben Besichtigungen stattgefunden, kann der Bauherr über das Ergebnis eine Bescheinigung verlangen. Bescheinigungen enthalten selbstverständlich nur eine Aussage über die überprüften Gegenstände  Mögliche, nicht erkannte rechtswidrige Zustände werden durch Besichtigungen nicht legalisiert. Die Besichtigung der endgültigen Fertigstellung schließt spätere Forderungen der Bauaufsichtsbehörde nicht aus, wenn Verstöße erst zu einem späteren Zeitpunkt bekannt werden.

Anzumerken ist: Besichtigungen dienen nicht dazu, die Qualität der Bauausführung zu überprüfen. Sie dienen also nicht dazu, das verständliche Interesse des Bauherrn an einer mängelfreien, handwerksgerechten Ausführung des Vorhabens zu unterstützen. Sie dienen ausschließlich dem öffentlichen Interesse an einer sicheren Benutzbarkeit der baulichen Anlage, die auch frei von störenden und schädlichen Auswirkungen ist.

In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass eine bauliche Anlage erst genutzt werden darf, wenn sie ordnungsgemäß fertiggestellt und sicher benutzbar ist, – nach den dafür geltenden Kriterien des Bauordnungsrechts.


10.3 Überwachung im vereinfachten Prüfverfahren (vereinfachtes Baugenehmigungsver-
fahren) und bei Genehmigungsfreistellung

Das Bauordnungsrecht beschreibt traditionell bauliche Anlagen, bei denen aufgrund ihrer geringen Abmessungen und/oder aufgrund ihrer Funktionen, oder weil bereits andere Vorschriften bestehen, ein Verzicht auf Genehmigungs- oder Anzeigeverfahren unbedenklich ist, z.B. bei Kleingaragen, Gartenlauben, Einfriedigungen (Zäune) u.a. Gleich-wohl handelt es sich um bauliche Anlagen, die nach wie vor insbesondere den Sicher-heits- und Schutzanforderungen des Bauordnungsrechts unterliegen, die der Bauherr auch ohne „behördliche Hilfe“ erfüllen muss.

In den letzten Jahren sind alle Bundesländer dazu übergegangen, darüber hinaus Erleichterungs-vorschriften einzuführen. Die Prüfung und Überwachung durch die Behörden ist bei bestimmten baulichen Anlagen nur noch auf wenige Sachverhalte beschränkt oder es wird gänzlich auf eine Prüfung und Überwachung verzichtet. Dahinter stehen weniger sachliche Ziele als politisch motivierte Ziele. Zunächst sollte damit ein Beschleunigungseffekt zur Förderung des Wohnungsbaus erzielt werden. Der gegenwärtig betriebene Abbau der behördlichen Verwaltungen und der damit verbundene Zwang zur Verringerung der behördlichen Dienstleistungen (eine solche ist auch die Bauüberwachung), hat mittlerweile eine Entwicklung eingeleitet, die nunmehr auch gewerbliche Nutzungen erfasst. In den Bundesländern hat dies zu den verschiedensten Erleichterungsformen und -inhalten geführt. Teilweise sind Erleichterungs-vorschriften in den Landesbauordnungen enthalten, teilweise in eigenständigen Gesetzen oder Verordnungen. Die Art der Erleichterungen reicht vom vereinfachten Baugenehmigungsverfahren mit einer Verringerung des Prüfumfanges und Fristsetzung für die Behörde zur Erteilung der Genehmigung, über Anzeigeverfahren, bei denen nach einer Wartezeit für eine Plausibilitätsprüfung durch die Behörde mit dem Bau begonnen werden darf, bis zur gänzlichen Freistellung von einer Genehmigungs- oder Anzeigepflicht unter bestimmten Voraussetzungen.

Die Breite der von den Erleichterungsvorschriften erfassten baulichen Anlagen reicht vom Wohngebäude geringer Höhe mit höchstens zwei Wohnungen bis zur Hochhaugrenze, auch mit gewerblicher Nutzung. Diese „Erleichterungen“ bewirken für die am Bau Beteiligten, nicht zuletzt für den Bauherrn selbst, einen belastenden Doppeleffekt. Es sind zum einen zusätzliche Vorschriften zu beachten, und zum anderen ist durch die Einschränkung der behördlichen Prüftätigkeit das Gewicht der alleinigen Verantwortung vergrößert.

Die Wirksamkeit der Erleichterungsvorschriften hängt ab vom Kenntnisstand des Architekten nicht nur im engeren Baurecht, sondern auch im sogenannten Baunebenrecht. Die gegebenenfalls im Baunebenrecht enthaltenen Genehmigungs- oder Erlaubnisvorbehalte bleiben von den baurechtlichen Erleichterungen unberührt. Bei Vorhaben, die keiner baurechtlichen Genehmigung bedürfen, haben der Bauherr und der Architekt aus eigener Kenntnis auf entsprechende Vorbehalte zu achten und die zuständigen Stellen zu beteili-gen. Bei Vorhaben, die noch einer, wenn auch eingeschränkten Prüfung durch die Behörde unterliegen, werden solche Beteiligungen durch die Behörde vorgenommen

Vom Bauherrn und Entwurfsverfasser werden zudem die Abgabe von Erklärungen zu den Sachverhalten verlangt, die von der Behörde nicht mehr überprüft werden. Dabei geht es um die Bestätigung, dass die (nicht geprüften) öffentlich- rechtlichen Vorschriften eingehalten sind - was ohnehin zu den Pflichten der am Bau Beteiligten gehört.

Unberührt von den Erleichterungen bleibt, dass über Ausnahmen und Befreiungen, d.h. über Abweichungen von Vorschriften, nach wie vor nur die Bauaufsichtsbehörden entscheiden, wenn zudem ein entsprechender Antrag vorliegt. Es bleibt auch bei der allge-meinen Überwachung des Baugeschehens durch die Behörde, unabhängig von den speziellen Regelungen im Rahmen der Erleichterungen oder von einer gänzlichen Freistellung.

Ein Wahlrecht zwischen dem „vollständigen“ Baugenehmigungsverfahren und den Erleichterungsverfahren gibt es nicht. Ein Wahlrecht zwischen den verschiedenen Erleichterungen ist durch die Landesbauordnungen unterschiedlich geregelt.

Die Planung und weitere Vorbereitung eines Vorhabens muss bei Anwendung der Erleichterungsvorschriften wegen der fehlenden Gegenprüfung nach dem „Vieraugenprinzip“ noch sorgfältiger erfolgen, als es ohnehin die Pflicht gebietet. Die Erleichterungsvorschriften erleichtern die Klärung der Kernfragen Ob und Was und Wie nicht. (Die sich dabei stellende Frage, ob der weitgehende Rückzug der Behörde aus der Überwachung noch mit dem öffentlichen Interesse an der Erfüllung der baurechtlichen Ziele vereinbar ist, muss wohl einige Zeit offen bleiben. Verstöße gegen das Baurecht jedenfalls werden durch Zeitablauf nicht legalisiert. Jedoch: Der Gesetzgeber geht davon aus, dass die verhältnismäßig kurzfristige Abkehr vom System der alles überwachenden Behörde durch die Bauvorlageberechtigung kompensiert wird)

10.4 Vorab-Prüfverfahren  (Vorbescheidsverfahren)

Jede Vorbereitung eines Bauvorhabens, ob für das vollständige Baugenehmigungsverfahren, oder für das vereinfachte Verfahren sowie auch in Fällen der gänzlichen Freistellung von Verfahren erfordert Arbeit und Zeit und verursacht Kosten. Dabei besteht das Risiko, im nachhinein mehr oder weniger umfangreiche Umplanungen vornehmen zu müssen, weil Verstöße gegen das Baurecht festgestellt worden sind. Möglicherweise muss auf das geplante Vorhaben ganz verzichtet werden. Diese Ungewissheit ist in Fällen vorgeschriebener Genehmigungsverfahren vermeidbar. Die Landesbauordnungen eröffnen dem Bauherrn die Möglichkeit, die grundsätzliche Genehmigungsfähigkeit seines Vorhabens und andere Fragen vor Erstellung sämtlicher aufwendiger Baupläne, Beschreibungen und Berechnungen klären zu lassen. Zu diesem Zweck enthalten die Bauordnungen Regelungen, die es zulassen, einzelne Fragen zum Vorhaben vor Einreichen des Bauantrages prüfen zu lassen.

Auf entsprechenden Antrag erteilt die Behörde darüber einen schriftlichen Bescheid, den sogenannten Vorbescheid. Die Fragen brauchen sich dabei nicht nur auf das eigentliche Baurecht, also dem Städtebaurecht und dem Bauordnungsrecht, beschränken. Alle Fragen aus dem öffentlichen Recht, die im Zusammenhang mit einem Bauvorhaben stehen, sind zulässig. Fragen über Art und Maß der zulässigen Nutzung, Abstandsflächen und Abwasserbeseitigung, Fragen des Brandschutzes und anderer Sicherheitsvorschriften, sowie Fragen über erforderliche Erlaubnisse, Anzeigen und Prüfungen nach anderen Vorschriften. Die Fragen können auch geplante Abweichungen von den Vorschriften, also Ausnahmen und Befreiungen zum Gegenstand haben. Eine Möglichkeit von großer praktischer Bedeutung zur Klärung der grundsätzlichen Genehmigungsfähigkeit, wenn z.B. vom Bebauungsplan abgewichen werden muss, um das Vorhaben verwirklichen zu können.

Der Bauherr bestimmt den Umfang und Inhalt der Fragen. Wichtig ist dabei, die mit den Einzelfragen verfolgten Absichten genau zu beschreiben. Je genauer und unmissverständlicher die Fragen formuliert sind, desto eindeutiger und verbindlicher können die Antworten gegeben werden. Die weitere Planung und die Klärung der Kostenfrage sowie die der Baufinanzierung bekommen eine gesicherte Grundlage durch die Gewissheit, bei einem positiven Vorbescheid und bei unveränderter  Sach- und Rechtslage eine Baugenehmigung zu erhalten. Pauschale Fragen, etwa, „ob ein Wohnhaus errichtet werden darf“, ohne dabei die Lage auf dem Grundstück oder die geplante Geschosszahl darzustellen, macht wenig Sinn. Gegebenenfalls lässt sich die Behörde wegen Unvollständigkeit der Frage auf eine Prüfung nicht ein. Ein Vorbescheid ist schriftlich zu beantragen. Art und Umfang der Bauvorlagen werden von den Fragen bestimmt; die Vollständigkeit wie für einen Bauan-trag ist nicht erforderlich. Für einen Vorbescheidsantrag ist die Bauvorlageberechtigung nicht vorgeschrieben. Der Bauherr darf ohne Hilfe eines Architekten mit dieser Berechti-gung einen Antrag zu einzelnen Fragen stellen.

Unterschiedlich ist die Rechtslage zwischen den Bundesländern, ob die Bauaufsichtsbehörde auf entsprechenden Antrag einen Vorbescheid erteilen muss oder ob es in ihrem Ermessen liegt, das zu tun. Wird ein Vorbescheid erteilt, sind die darin enthaltenen positiven Antworten und Entscheidungen für das nachfolgende Baugenehmigungsverfahren verbindlich. Haben sich Sach- und Rechtslage nicht geändert, darf die Behörde zu den vorgeklärten Einzelfragen grundsätzlich keine andere Entscheidung treffen, als im Vorbescheid enthalten ist. Diese, Bindungswirkung genannte Verbindlichkeit, ist allerdings zeitlich begrenzt. Sie erlischt nach Ablauf einer bestimmten Frist (i.d.R. nach 3 Jahren), wenn davon kein Gebrauch gemacht worden ist .Das Vorbescheidsverfahren ist nur für Bauvorhaben anwendbar, für die ein Genehmigungsverfahren vorgeschrieben ist Bei Anzeigeverfahren oder bei gänzlicher Freistellung bleibt dem Bauherrn nur die Möglichkeit, von der allgemeinen Auskunfts- und Beratungspflicht der Behörde Gebrauch zu machen, um auf diesem Wege Auskunft zu bestimmten Fragen einzuholen.

Die Bauordnungen setzen zwar formal voraus, dass einem Vorbescheid auch der Bauantrag folgt, praktisch ist das aber ohne Bedeutung. Ein Vorbescheidsantrag kann auch gestellt werden, ohne dass bereits ein konkretes Vorhaben geplant ist. In Betracht kommt dafür z.B. die Klärung der Nutzbarkeit eines Grundstücks, bevor der beabsichtigte Kauf getätigt wird, um Gewissheit zu erhalten, dass das Grundstück für die beabsichtigte Nutzung geeignet ist. Es kann auch andere Gründe geben, die eine Klärung bestimmter Fragen sinnvoll macht, ohne dass damit bereits ein konkretes Vorhaben verbunden sein muss, z. B. wenn der Grundstückswert ermittelt werden soll.